Liberec: Kunst im Dreiländereck
Die Regionalgalerie in Liberec zählt zu den fünf größten Galerien in der gesamten Tschechischen Republik und verfügt über eine Sammlung tschechischer, deutscher, französischer, niederländischer und weiterer europäischer Künstler. Das Programm der Galerie bilden drei Dauerausstellungen (Heinrich von Liebieg – Mäzen und Kunstsammler, Auf den Wellen der Kunst – tschechische Kunstsammlungen, das goldene Zeitalter der niederländischen Malerei) und wechselnde Ausstellungen, die sich vor allem mit den Werken regionaler, deutschböhmischer bzw. sudetendeutscher Künstler befassen. Seit 2008 ist Jan Randáček der Direktor der Galerie.

Die Geschichte der Regionalgalerie Liberec (Reichenberg)
Die Regionalgalerie Liberec (Oblastní galerie Liberec) entstand als eigenständige Institution im Jahre 1953. Sie fand ihren Ursprung im Nordböhmischen Gewerbemuseum (Severočeské muzeum). Im Jahre 1945 wurde beschlossen, die Kunstsammlungen des Museums in einem separaten Gebäude aufzubewahren.

Bereits ein Jahr darauf folgte die Realisierung und die Werke wurden bis zum Jahre 2013 in der Villa von Johann Liebig Junior aufbewahrt. Seit 2014 befindet sich die Galerie im ehemaligen Stadtbad der Stadt, dem Kaiser-Franz-Joseph-Bad. Die Kunstsammlung wurde im höchsten Maße von Heinrich Carl Julius von Liebieg (Bruder von Johann Liebig Junior) geprägt. Nach dessen Tod vermachte der Kunstsammler und Mäzen der Stadt Liberec seine Sammlung, die zu den wertvollsten im damaligen Österreich-Ungarn zählte, und rund 600 000 Österreichische Kronen, die in weitere Malereien investiert wurden. Die Regionalgalerie in Liberec (Reichenberg) zählt von Beginn an zu den wichtigsten und eindrucksvollsten Kulturbetrieben der Stadt.

Heinrich Carl Julius von Liebieg
* 29.4.1839 Reichenberg (Liberec), † 5.4.1904 Ffm
Heinrich Carl Julius (seit 1868: Freiherr von) wurde 1839 in Reichenberg, dem heutigen Liberec, geboren. Sein Vater, Johann Liebieg (* 7. Juni 1802 in Braunau in Böhmen; † 16. Juli 1870 in Smirschitz), ab 1868 Johann Freiherr von Liebieg, war ein böhmischer Textilfabrikant und Industrieller. Im Jahre 1828 errichtete er, gemeinsam mit seinem Bruder Franz, eine Spinnerei und Weberei und legte so den Grundstein für das spätere Wirtschaftsimperium Liebieg & Comp. Die Tuchmacher- und Kaufmannfamilie Liebieg zählte zu den einflussreichsten Unternehmern Österreich-Ungarns und der späteren Tschechoslowakei.

Auch Heinrich Carl Julius engagierte sich im Familienbetrieb und galt als Fabrikant. Zu Lebzeiten wusste kaum einer, dass er Mäzen und leidenschaftlicher Kunstsammler war. Er starb im Jahre 1904 in seiner Villa, die er sich in den Jahren 1892 -94 am Schaumankai in Frankfurt am Main errichten ließ und als Ruhesitz mehrere Monate im Jahr bewohnte. Testamentarisch räumte Liebieg der Stadt Frankfurt zwar ein äußerst günstiges Vorkaufsrecht an Villa und Park ein, jedoch nur unter der Bedingung, dass das Anwesen nach seinem Ableben als Museum fungiere.

Im Jahre 1909 wurde das Liebieghaus als Städtische Skulpturensammlung eröffnet und steht bis heute. Seiner Heimatstadt Liberec hingegen vermachte Liebieg neben umgerechnet ca. zehn Millionen Euro auch seine wertvolle Sammlung bestehend aus 2600 Werken. Die Kunstsammlung Liebigs, die er testamentarisch der Stadt Liberec vermachte, beinhaltete 209 Werke deutscher, österreichischer und französische Maler aus dem 19. Jahrhundert. Besonders bedeutend sind die Kunstwerke von Wilhelm Leibl, Franz von Deffreger, Gabriel von Max, Ludwig Dill. Die österreichische Sammlung umfasst Konvolute der Maler Rudolf von Alt, Eduard Charlemont, Eugen Jettel oder auch August von Pettenkofen. Besonders imposant aus der Sammlung französischer Landschaftsmalerei des 19. Jahrhundert sind siebzehn Werke von Eugène Boudin.

Er gilt als Vorläufer des Impressionismus und einer der ersten Freilichtmaler. Diese Sammlung ist nicht nur in Bezug auf den Bilderbestand die Größte außerhalb Frankreichs, sondern auch eine der wertvollsten überhaupt. Auch die Werke aus der Schule von Barbizon sind besonders bedeutend für die Liberecer Galerie. Hierbei handelt es sich nicht um eine Schule im engeren Sinne. Die Schule von Barbizon war eine Gruppenbildung französischer Landschaftsmaler, die Mitte des 19. Jahrhunderts im Dorf Barbizon am Wald von Fontainebleau gebildet wurde. Hierzu zählen Malereien der Künstler Charles-François Daubigny, Narcisso Virgilio Díaz de la Peña Etienne Pierre Théodore Rousseau und einige mehr.

Aktuelle Ausstellung
In der Regionalgalerie in Liberec könnt ihr jetzt auf Wellen reiten und gärenden Kohl bestaunen. Kein Witz. Die temporären Ausstellungen „Die Mystik der Hygiene“ (mystika hygieny) und „Vom Bad ins Bad“ (Z laznÍ do Lazní) befassen sich mit der ehemaligen Funktion des Gebäudes, zu Zeiten als es noch als Kurbad genutzt wurde.

Das ehemalige Stadtbad, das Kaiser-Franz-Joseph-Bad, das die Tschechen einfach Lázně (Bad) nennen, ist seit einigen Jahren eines der wichtigsten Kulturbetriebe der Stadt Liberec. Das Gebäude selbst zählt architektonisch zu den wichtigsten und eindrucksvollsten Kulturdenkmälern der Stadt und seit 2014 befindet sich hier die Regionalgalerie der Stadt. Neben der Dauerstellung finden hier in regelmäßigen Abständen temporäre Ausstellungen statt. Aktuell werden Werke ausgestellt, die sich mit der Thematik des Bades und des Wassers befassen. So erschuf beispielsweise der slowakische Künstler Juraj Gábor ein Meisterwerk, dass er „gewellt“ taufte. Seine Installation bedeckt den gesamten zehn Meter breiten und zwanzig Meter langen Hallenboden der Galerie und bis zu 500 Menschen auf einmal können über die hölzernen Wellen schreiten.
Besonders interessant ist der räumliche Aufbau der Kunstwerke. Aus der Wellen-Installation selbst gehen nämlich weitere Werke hervor. So taucht jeder Besucher in eine surreale Wasser-Welt ein, in der er die hölzernen Wellen betritt und weiteren Werken ausstellender Künstler begegnet. Die meisten Arbeiten wurden speziell für die Ausstellung „Die Mystik der Hygiene“ entworfen. Die Künstlerinnen Anetta Mona Chisa und Lucie Tkáčová veranschaulichen in ihrem gezeigten Abreiten biologische Prozesse des Körpers. Sie zeigen Glasköpfe in denen Kohl und anderes Gemüse gärt. Auch die anderen Künstler präsentieren Objektkunst.
Die Stahlfiguren von Tomáš Roubal sowie die polsterförmigen Plastikobjekte des Künstlers David Vojtuš laden zum Entschleunigen ein und symbolisieren das Bad als Ort der Genesung und als Ruheort. Anrdrás Cséfalvay Objekte erinnern stark an ein Katafalk, ein Gestell zur Aufbahrung von Verstorbenen.
Die zweite Ausstellung Vom Bad ins Bad (Z lázní do Lázní) präsentiert klassische Kunstwerke aus dem 19. Jahrhundert. Es handelt sich um eine Auswahl aus der Sammlung der Galerie. Ausgestellt werden Lithografien und Radierungen, die vor allem das Leben in den bedeutensten Kurorten Deutschlands, Österreichs und Tschechiens veranschaulichen.

Beide Ausstellungen laufen bis zum 1. September.
Öffnungszeiten der Regionalgalerie Liberec
Sonntag 10:00–17:00
Montag Geschlossen
Dienstag 10:00–17:00
Mittwoch 10:00–17:00
Donnerstag 10:00–19:00
Freitag10:00–17:00
Samstag 10:00–17:00
Eintrittspreise:
Regulärer: 80 Kč umgerechnet ca. 3 €
Ermäßigt: 40 Kč, umgerechnet ca. 1,50 €
Familie: 160 Kč, umgerechnet ca. 6 €
Jeden Donnersteg freier Eintritt!
Adresse:
Regionalgalerie Liberec – Oblastní galerie Liberec
Masarykova 724/14
450 01 Liberec
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