Mutmacher aus dem Dreiländereck!
wir zeigen auf unserem Portal in einer Interview-Reihe besondere Personen und Köpfe aus dem Dreiländereck, Unternehmer und Unternehmungen, Leute die als Macher in einzigartiger Weise für unsere Region eintreten.
Wir stellen vor: Arielle Kohlschmidt, kreativer Kopf der Raumpioniere, Meditatorin und Yogalehrerin, Sie ist in vielfältiger Weise mit verschiedenen Projekten für unserer Region unterwegs, wir wollen dazu mehr erfahren.

Arielle, erzähle uns bitte etwas über dich, wer bist Du, wie bist du in die Region gekommen, was arbeitest Du?
Ich finde es immer amüsant, gefragt zu werden, wer ich bin. „Woher soll ich das wissen“, hat darauf mal ein Sportler geantwortet, was mir sehr sympathisch ist. Ich betrachte diese Frage nämlich gern philosophisch. Worüber sich weise Menschen jahrelang den Kopf zerbrechen, das kann ich unmöglich in zwei, drei Sätze stecken. Ich kann Dir aber ein paar Eckdaten geben, wohin mich mein Weg bisher führte und was ich so den schönen Tag lang mache.
Nachdem ich in Cottbus und Berlin aufgewachsen bin und lange in großen Städten gelebt habe, wusste ich irgendwann: Ich will da raus. Denn immer, wenn ich einen Ausflug aufs Land machte, war es einfach wunderschön und ein starkes Bauchgefühl sagte mir: Hier, in der Natur, da bist Du richtig! Warum bleibtst Du nicht gleich da?
„Ihr habt es geschafft!“, wurde unser Umzug aufs Land kommentiert..
Als erstes zog ich in die Prignitz und mietete eine Wohnung in einem Forsthaus. Es war vollkommen anders als das Stadtleben und ich hatte auch einen mittleren Stadtentzug, aber es war schnell klar, dass es mir gut tut. An der Landschaft hängt heute noch mein Herz. Meine Auftraggeber saßen aber dann recht bald in der Oberlausitz, wie zum Beispiel die Stiftung Fürst-Pückler-Park Bad Muskau. Und so habe ich 2006 ein Haus in einem kleinen Dorf an der Neiße gekauft und wohne nun hier zusammen mit meinem Partner und meinem Sohn und zwei zugelaufenen Katzen. Ich bin also sozusagen schon Langzeitüberlebende und will auch nicht mehr hier weg, es sei denn ich bekomme ein Haus mit Meerblick geschenkt.
Ich arbeite zum einen als Kreative in den Bereichen Design, Text und Regionalentwicklung und betreibe zusammen mit Jan seit gut zehn Jahren unsere Kreativagentur Blendwerck. Zum anderen unterrichte ich Meditation und Kundalini-Yoga und verbinde dann diese beiden Strängen, in dem ich Workshops zum Thema Kreativität & Meditation gebe. Gerade schreibe ich an einem Buch für Unternehmer und Führungskräfte zum Thema Meditation. Und dann bin ich einer der beiden Initiatoren der Raumpionierstation Oberlausitz.

Was ist das Projekt „Raumpioniere“, was sind „Neulandgewinner“ und was bringen diese Projekte den Menschen die in unsere Region ziehen wollen?
Das Projekt Raumpionierstation Oberlausitz haben wir aus unserer ganz persönlichen Erfahrung heraus entwickelt. Wir haben einfach zwei Trends beobachtet, die sich in die Hände spielen, wenn man sie nur verknüpft. Zum einen gibt es in unserer schönen Oberlausitz viel günstigen Raum und der demographische Wandel wird in den nächsten Jahren noch viel mehr davon eröffnen. Zum anderen entwickelte sich bei vielen Städtern eine starke Landsehnsucht. Das konnten wir einfach auch von unseren Freunden in Berlin hören: „Ihr habt es geschafft!“, wurde unser Umzug aufs Land kommentiert. Gleichzeitig steigen die Mieten in verheerende Höhen und die Digitalisierung macht ein Leben auf dem Land möglich. Vor 20 Jahren hätten wir auch noch nicht so frei unseren Wohnort wählen können. Was bislang fehlte, war eine Brücke zwischen Stadt und Land, eine Hand, die den Städtern gereicht wird und sie willkommen heißt.
Diese Brücke sind wir: Wir beraten Städter, die aufs Land ziehen wollen. Sie können bei uns vorbei kommen und all ihre Fragen stellen oder anrufen oder eine Nachricht schreiben. Gleichzeitig bauen wir vor Ort ein Netzwerk von Zuzüglern und Rückkehrern auf, welches auch auf unserer Website zu sehen ist, sodass die Neulinge Mut fassen können und erkennen: Ja, es geht! Und: Da sind schon andere, denen ich mich anschließen kann. Eine Frage, die uns nämlich immer gestellt wird, ist: Ist man dann einsam auf dem Land? Die meisten wollen eben nicht der 1. Pionier sein, sondern lieber der 10. oder 20.
Um einen Austausch zu ermöglichen, organisieren wir außerdem einmal im Jahr eine Netzwerkveranstaltung für bereits ansässige und potentielle neue Raumpioniere: Die „Landebahn für Landlustige“. – Die nächste findet am 28.9. im Kühlhaus in Görlitz statt.
„Neulandgewinner“ ist eine Auszeichnung und ein Förderprogramm der Robert Bosch Stiftung, die das Projekt zwei Jahre lang mit Coaching und finanziell begleitet, wofür wir sehr, sehr dankbar sind.
Was sind für dich die Vorteile im ländlichen Raum und wie entwickelt sich der Zuzug?
Das Leben auf dem Land, in einem Haus mit Garten, mit viel Licht und Luft ist für mich die ideale Form zu sein. Durch das ebenerdige Wohnen bin ich mit der Natur verbunden. Sobald die Sonne rauskommt, mach ich das auch. Mag ich nicht mehr in den Rechner schauen, geh ich in den Garten. Will ich nachts die Musik aufdrehen und laut mitsingen, stört das vielleicht unsere Katzen, aber nicht die Nachbarn.
Wie Du siehst, bin ich also nach mehr als zehn Jahren Landleben immer noch begeistert. Am allerdeutlichsten empfinde ich dies nach einem Ausflug mit dem Zug nach Berlin. Wenn ich auf dem kleinen Dorf-Bahnhof aussteige und es plötzlich nach Wiesen, Blumen und Holz riecht und ich in die Weite blicken kann und der Himmel sich groß über mir ausbreitet, dann fühle ich eine enorme Freiheit in mir.
Wie schön das ist, wissen natürlich auch viele Städter und ganz besonders, wenn sie eine Familie gründen wollen, wird die Sehnsucht nach kleinen übersichtlichen Strukturen und nach einem guten Leben à la „Die Kinder von Bullerbü“ groß. Aber: Es ist oft gar nicht so einfach alles auf einmal, also Wohnort und Arbeit, zu koordinieren. Unserer Erfahrung nach schaffen es die, die zu viel planen wollen, nicht. Man muss den Sprung ins kalte Wasser wagen und dann schauen, was das Leben einem schenken möchte.
Das haben in den letzten Jahren eine ganze Menge Städter schon gewagt und sind in die Oberlausitz gezogen. Als ich 2009 hierher kam, war ich noch gefühlt die Einzige. Mittlerweile gibt es richtige Hotspots, wie zum Beispiel Rosenbach-Herwigsdorf bei Löbau. Dort wohnen schon rund 50 Zuzügler. Oder auch Nebelschütz bei Bautzen. Dieses Dorf hat in einem Meer schrumpfender Gemeinden sogar eine Warteliste für neue Dorfbewohner.
Was würdest Du Urlaubern oder Besuchern unserer Region besonders an Herz legen, was müssen die Menschen hier unbedingt erlebt haben?
Meine Top 3:
- Das Haus Schminke in Löbau von Hans Scharoun – unbedingt mit einer Führung. Ein Haus, was mit außerordentlich viel Geist und Liebe gebaut wurde und mich berührt und inspiriert.
- Der Bad Muskauer Fürst-Pückler-Park, der einfach herrlich ist in seiner Weite und Vielfalt mit Neiße, Bergpark, Arboretum und Schlossgärtnerei.
- Die Stadt Görlitz, die für mich ein wichtiger Grund war, warum ich hierhergezogen bin. Ich liebe die unzähligen alten Häuser, die von einem Sinn für Schönheit sprechen und so lebendig wirken. Das spüre ich dann auch in der sehr warmen Atmosphäre der Stadt, die sich auch auf die Menschen, die in ihr leben, überträgt.
Und ansonsten: Sich einfach treiben lassen und all die namenlosen, schönen Flecken in der vielfältigen Natur- und Kulturlandschaft entdecken.
Welches sind Deine ganz besonderen Wünsche oder Ziele für die Region und was planst Du persönlich für die Zukunft?
Ich male mir folgendes mit heiteren Farben aus:
Eine kleinteilige Landwirtschaft sorgt für eine (nahezu) 100%ige regionale Versorgung. Der Bedarf ist jetzt schon da. Es gibt viele Menschen, die zu uns zur Beratung kommen und gern Landwirtschaft betreiben würden, aber kein Land finden bzw. kein bezahlbares, weil Konzerne weltweit Land aufkaufen.
Ebenso kleinteilige politische Strukturen und entsprechende Budgets versetzen die Menschen vor Ort in die Lage, selbst über regionale Entwicklungen entscheiden können. Zum Beispiel über Schulgründungen. Wir beobachten im ganzen ländlichen Raum, dass überall dort, wo freie Schulen gegründet werden, sich drum herum viele Familien ansiedeln.
Ein ausgezeichnet ausgebauter Nah- und Fernverkehr ermöglicht es vielen Städtern sich hier anzusiedeln und ist natürlich auch für alle, die schon da sind, sehr nützlich.
Der Kohlebergbau verschlingt kein einziges Dorf mehr und der Strukturwandel unterstützt die Akteure vor Ort, so wie es Professor Klingholz vom Berlin-Institut auch empfiehlt.
Ich persönlich habe noch nie in meinem Leben geplant, sondern bin immer sehr erfolgreich meiner Intuition gefolgt. So habe ich ein sehr feines Gespür für Möglichkeiten, die an mir vorbeikommen, und für die ich dann alles tue, um sie zu ergreifen. Ganz allgemein stelle ich mir vor, dass ich weiterhin Menschen inspiriere und begleite, die Stadt zu verlassen. Auch das Aufbauen des Raumpioniernetzwerks vor Ort macht mir einfach große Freude.
Außerdem möchte ich den Bereich Meditation vertiefen und mein Wissen und meine Erfahrung mit noch mehr Menschen teilen.
Und dann will ich bei all dem Vielen auch immer Zeit haben, einfach im Garten zu sitzen, den Bienen und Hummeln zuhören und mir die Sonne ins Gesicht scheinen und den Wind um die Nase pusten lassen, der dann übrigens nur noch allerfeinste Duftstoffe in sich trägt und keine Ackergifte mehr.
Wie und wo kann man dir/ deinen Projekten folgen
- www.raumpioniere-oberlausitz.de
- https://www.facebook.com/Raumpionierstation/
- www.blendwerck.de
- www.meditation-trainer.de